Er gehört zu den ganzen „Alten“. Nicht, was die Anzahl seiner Lebensjahre betrifft, sondern die Anzahl der Jahre, die er als Bio-Bauer auf dem Buckel hat, der Brandl Toni aus Burdberg in der Gemeinde St. Wolfgang. 31 Jahre sind es nun bereits. 31 bewegte Jahre mit vielen Geschichten und viel Geschichte, die man sich in der heutigen Zeit gar nicht mehr so recht vorstellen kann. Dabei hätte er es sich als junger Bursch durchaus vorstellen können, etwas ganz anders zu machen: Nachdem er an der Gesamthochschule Kassel-Witzenhausen „Tropenlandwirtschaft“ studierte, verbrachte er seinen Ersatzdienst im tiefsten Brasilien, in der Trockensavanne von Minas Gerais als landwirtschaftlicher Berater. Der Deutsche Entwicklungsdienst hätte für dort Leute gesucht, sagt Toni, Leute mit hoher Frustrationstoleranz wohlgemerkt. Und seine Frau Regina – die mit Toni an dem Küchentisch in Burdberg sitzt und erzählt –, meinte dazu nur, dass sie für diese Stelle sonst keinen anderen hätten hinschicken können, die Verhältnisse waren wohl kaum aushaltbar. Und dennoch: er hätte es dort – bei allen Widrigkeiten – auch länger oder auch so richtig lange ausgehalten, wäre da nicht nach 2 ½ Jahren ein Brief aus seiner Heimat eingetroffen, mit der Bitte, den elterlichen Hof zu übernehmen.
Toni ist diesem Ruf gefolgt. Seine Geschwister hatten andere berufliche Pläne und sein kränkelnder, 65-jähriger Vater konnte den Betrieb nicht mehr bewirtschaften. So war es an ihm, den Betrieb zu führen. Nach alldem Erlebten war ihm aber klar – es kommt nur der Öko-Landbau in Frage. Und das gegen alle Widerstände. Langhaarig, Wehrdienstverweigerer, Kommune und nun noch das – Öko-Bauer, noch dazu der erste in der gesamten Gemeinde St. Wolfgang. Das war für seinen Vater schwer zu ertragen. So bekam Toni den Hof anfangs, das war 1982, auch nur verpachtet und nicht übergeben und sein Vater holte gleich zu Beginn noch einen Hänger voll „Nitrophoska“ bei der Raiffeisen, da es für ihn unvorstellbar war, wie es ohne Kunstdünger gehen könne. Aber Toni zeigte, dass es geht. Die Erträge bei Dinkel und anderen Getreidearten schwankten, waren aber ordentlich, die Preise für Bio-Ware damals hervorragend. Das überzeugte dann auch seinen Vater. Und die Brandls hielten es aus, dass die Nachbarn nach der Ernte immer in ihre Hänger schielten um zusehen, was sie wohl wieder vom Getreidefeld heruntergefahren hatten.
Heute ist Bio anerkannt, es gibt mittlerweile zahlreiche Bio-Bauern und Bio gibt es in jedem Discounter. Und doch ist es für die Brandls nicht unbedingt leichter geworden. Die Preise für Bio-Ware sind gesunken, die Lebenshaltungskosten steigen unaufhörlich, der Betrieb ist dabei aber nicht gewachsen. Toni und Regina Brandl bewirtschaften insgesamt 12 Hektar Land und haben 12 Stück Milchvieh mit Hörnern, die im Sommer auf der Weide sind. Das Besondere daran: Sie bewirtschaften den Betrieb im Haupterwerb, auch wenn Regina seit einiger Zeit einen 400 Euro-Job nachgeht, damit Toni sich bei seinen AbL-Veranstaltungen ein Bier leisten kann, wie Regina schmunzelnd sagt. Für große Investitionen in den Betrieb reicht das Geld aber nicht und es ist absehbar, dass dieser Betrieb in der nächsten Generation so nicht weitergeführt werden kann. Klar wäre es schön, wenn es mit dem Hof irgendwie weiterginge, Regina und Toni sind grundsätzlich für alles offen, wissen aber auch, dass sich die Kinder nicht in den Hof „reindrücken“ lassen. Immerhin: von ihren vier Kindern haben die drei älteren grüne Berufe gewählt: Sebastian (25) ist Landschaftsgärtner, Simon (23) steht kurz vor dem Abschluss seiner Ausbildung zum Wanderschäfer, Stefan (21) lernt den Gärtnerberuf in Höhenberg. Also allerhand junge Perspektive für den Hof. Wie sich die Jüngste, Maria (16), einmal orientieren wird, wird sich zeigen; sie fängt kommendes Jahr an der FOS an.
Es war eine bewegte und interessante Zeit für die Brandls. 1984 war Toni Brandl einer von den 4 Bauern, die die TAGWERK Genossenschaft mit aus der Taufe gehoben haben. Aber auch sonst war viel los auf dem TAGWERK/Bioland-Betrieb in Burdberg. Es war ein offenes Haus, viele Menschen kamen auf den Hof: Praktikanten, Exkursionen, Zeltlager. In der Wohnküche wurde so manche Veranstaltung für die AbL ausgeheckt. Neben dem Stall sind noch eine ganze Reihe von Pflaumenbäumen eingebuddelt, alles alte Sorten, in Sachsen-Anhalt vor der Rodung gerettet, auf der Suche nach Abnehmern. Auch waren die Brandls offen für manches, „das ma scho derpacka muss“, wie Toni sich so nett ausdrückt als er vom Open Air in Gatterberg spricht, für das er immer wieder eine Wiese zur Verfügung stellte. Bei schlechtem Wetter glich die Wiese danach einem Schlammbad und den haufenweise zurückgelassenen Müll mussten sie auch selber entsorgen. Heute wachsen auf dieser besagten Wiese Haselnüsse, ein neues Standbein der Brandls. In seinem „Agroforst-System“ erntet Toni nun von der Wiese nicht nur Gras, sondern auch Nüsse. In der Konkurrenz zum Gras wachsen die Bäume langsamer und wurzeln tiefer, aber dafür tragen sie viele Nüsse und überstehen trockene Sommer deutlich besser als Haselnüsse in Monokulturen.
Auch wenn es nie für die ganz großen Sprünge reichte, so sind die Brandls zufrieden mit dem Geschafften, so Regina zum Abschluss: Ihnen fehlt es im Grunde an nichts, ihre Kinder hatten eine schöne Zeit auf dem Hof und lernten auch bei der Pflege der alternden Großeltern die Würde des menschlichen Lebens kennen. Regina meint dazu: „Wie kostbar.“ Was will man mehr.
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